Meine dramatische Hausgeburt in Bali
Es fällt mir nicht leicht darüber zu schreiben, was bei der Geburt meiner Tochter Nala am 12.09.23 passiert ist. Aber ich denke, es ist eine gute Form der Verarbeitung und Reflexion dieser Nacht.
Mein Wunsch nach einer Hausgeburt
Ich habe mir eine selbstbestimmte Hausgeburt gewünscht. Warum? Weil ich gute Umstände für mich und Emilia schaffen wollte. Ich wollte außerdem nicht, dass man mir medizinisch reinredet oder ich am Ende durch irgendwelche „sinnlosen“ Umstände einen Kaiserschnitt machen muss. Emilias Geburt war im KH in Berlin und war wirklich gut. Ich hatte sie damals einleiten lassen und alles mit dem Personal und der Hauspsychologin damals ausführlich besprochen, was ich will und was nicht. Es war eine schöne Geburt.
Hier in Bali hatte ich im März nette und qualifizierte Hebammen gefunden. Sie sagten mir, dass eine Hausgeburt in Bali eine Grauzone sei. Die ganze Schwangerschaft über war ich positiv gestimmt und visualisierte mir eine schöne Geburt. Ich ahnte nicht, dass es ganz anders kommen wird.
Am 09.09.23 war ET und ich hatte zunehmend ein komisches Gefühl. Ich war unruhig und ich dachte sogar kurz darüber nach, ob ich eine Notfalltasche fürs KH packen sollte. Ich entschied mich dagegen. Energetisch gesehen spürte ich da schon die Existenz des KH in meinem Feld, wollte es aber nicht sehen.
Die Wehen kommen: Wird es eine Hausgeburt?
Am Abend des 11.09.23 gingen um 20h die Wehen los. Emilia war aufgeregt, aber die Abstände waren sehr groß. Also legte ich sie um 22h erstmal noch schlafen und versuchte selbst zu ruhen. Bis 2 Uhr nachts hatte ich alle 15-20min Wehen und konnte nicht ruhen. Ich lief auf und ab, schrieb meiner Doula und meiner Hebamme und entschloss mich dann meine Hebamme um 2 Uhr zu bitte herzukommen. Gegen 3 Uhr nachts war sie dann hier. Ich wollte wissen, ob der Muttermund sich bereits geöffnet hatte, da ich mir echt unsicher und einfach hundemüde und erschöpft war. Emilia schlief tief und fest. Mein Muttermund war 5cm offen. Es ging also los.
Und damit begann dann auch das Drama. Meine Hebamme teilte mir mit, dass ich eine offizielle Erlaubnis der Vermieter für die Hausgeburt brauche (aufgrund der hinduistischen Religion und der Sicherheit ihrer Arbeit) und wenn ich die nicht habe, dann müssten wir jetzt entweder ins KH fahren oder zu ihr in die Praxis, die am Arsch der Welt war. Ich spürte nur: „Nein, das will ich nicht.“ Ich verstand es auch gar nicht, da sie mich bei unseren beiden Hausterminen im August beide Mal fragte, ob meine Vermieter damit okay seien und ich sagte, dass ich niemandem bescheid gesagt habe, da ich keine Fremdmeinungen hören wollte.
Ich war total überfordert. Und die Wehen kamen in kurzen Abständen. Ich konnte gar nicht klar denken. Also rief ich bei meinen Nachbarn und meiner Vermieterin an. Keiner hob ab. Ich musste mich auf mich konzentrieren, ich hatte dafür jetzt keine Kapazität.
Die Hausgeburt verlief anders als gewünscht
Plötzlich stand meine Nachbarin vor der Tür. Die beiden sprachen und versuchten die Vermieter zu erreichen. Doch die schliefen. Ich wehte also weiter vor mir in der Küche auf meinem Pezziball her und hoffte einfach, dass alles gut geht. Denn ich konnte mir nicht vorstellen mit 5min Wehenabstand noch ins Auto springen und in ein unbekanntes KH fahren zu müssen.
Da saßen nun die beiden Frauen auf meinem Sofa, unterhielten sich für gute 2 Stunden (!!!) und warteten auf News, während die andere Hebamme mich in den Wehen unterstützte. Es war nicht angenehm. Es war nicht der safe space, den man bei einer Geburt braucht.
Emilia wachte durch die Stimmen und Geräusche dann kurz vor 5 Uhr auf, zog sich an und kam zu uns ins Wohnzimmer. Irgendwann hatte ich langsam das Gefühl, dass ich das alles nicht mehr kann. Ich wusste aus meiner Vorbereitung, dass es also nicht mehr lange dauern würde. Gleichzeitig verstand ich die ganze Situation nicht. Wir warteten auf Erlaubnis und doch wehte ich die ganze Zeit vor mich hin. Ist doch klar, dass ich irgendwann nirgendwo mehr hinfahren kann!
Hausgeburt erlaubt: ja oder nein?
Dann kam eine Nachricht, es ist okay die Haugeburt durchzuziehen. Ich ging ins Bett, wo ich mich in den leeren Pool mit dem Oberkörper über dem Klo hinknien sollte, damit das Blut nicht überall hinkommt. Ich spürte Presswehen. Dann kam die Hebamme zu mir und meinte, sie darf nicht mehr hier sein. In meiner Wohnung war plötzlich auch noch die Vermieterin. Ich habe denen dann gesagt, dass ich jetzt nirgendwo mehr hingehe. Die Hebamme war mega gestresst und ich war ganz alleine im Bad mit offener Tür zum Wohnzimmer und meinem nackten Hintern in diese Richtung. Ich fokussierte mich und sagte zu Cookie: „Du musst jetzt raus! Wir haben ein Problem!“ In der Not werden Kinder ganz schnell geboren, hab ich gelesen.
Und mit einem Pressen (1!!!!) und schreien, habe ich sie um 06:25 Uhr in meinem Bad geboren. Ich schrie: „The head of the baby is coming out!, hörte Emilia rufen “das Baby kommt” und hatte dann gerade noch so die Hände der Hebamme unter mir, die Nala auffingen und mir gaben. Die Hebamme Nr. 2 zog mich aus und gab mir mein Mädchen auf den Arm. Wow, ein Mädchen, damit hatte ich nicht gerechnet! Die andere Hebamme war ganz nervös und meinte, die Plazenta muss sofort raus, da sie gehen müssen. Oh mein Gott, was ein Druck und Stress! Sie spritzten mir zweimal Oxytocin und danach kann ich mich nicht mehr recht erinnern, was alles passiert ist. Denn ich wurde ohnmächtig. Ich weiß noch, dass die Hebamme ganz panisch mehrmals versucht hatte Zugänge in die Hand zu legen und dass man mir sagte: „Jenny, bleib in deinem Körper. Geh nicht weg!“ Und mich ohrfeigte. Sie versuchten alles, damit ich nicht wegdrifte. Ich hörte nichts mehr.
Nahtoderfahrung
Ich spürte diesen Sog an mir. Die Leichtigkeit einfach zu gehen. Ich spürte, dass es so leicht gewesen wäre, jetzt loszulassen und dass das Hierbleiben viel mehr Kraft kosten würde. Mir kommen die Tränen, wenn ich das beschreibe. Es ist nicht leicht. Ich dachte an meine beiden Mädels, dass sie mich brauchen und ich kämpfen muss. Also kämpfte ich.
Meine Hebamme rief den Rettungswagen. Ich erinnere mich, dass mich sämtliche Männer der Nachbarschaft nackt in meine Bettdecke eingewickelt in den Rettungswagen getragen haben. „Jenny bleib in deinem Körper“ hörte ich immer wieder dumpf bis wir da waren. Ich sagte Emilia noch, dass sie meinen Geldbeutel und mein Handy mitnehmen solle und dass alles wieder gut wird. Sie weinte und fuhr mit der Nachbarin ins KH zu mir.
Von der Hausgeburt ins Krankenhaus
Dort angekommen bekam ich sofort zwei Zugänge gelegt und Blut abgenommen. Die Plazenta musste jetzt raus, aber jedes Mal, wenn ich drücken wollte, wurde ich fast ohnmächtig. Ich konnte einfach nicht mehr. Der Arzt war super lieb und erklärte mir, dass ich viel Blut verloren hab und ich nun echt die Plazenta gebären muss, aber ich bettelte um eine andere Lösung. Ich war einfach fertig mit der Welt.
Dann bat ich ihm um 2min Pause. Die gab er mir. Ich visualisierte all meine Kraft und teilte meinem Körper mit, dass die Plazenta jetzt raus muss. Er massierte meinen Bauch, die Wehen kamen und mit lauten Schreien „Raus, raus, raus!“ kam sie dann. Ich war erleichtert. Danach kam Emilia bei mir an. Und ich konnte endlich auch Nala sehen. Meine Nachbarin kümmerte sich um beiden Mädels, meine Hebamme war da und organisierte mir was zu essen. Meine Vermieterin klärte das finanzielle, da klar war, dass ich im KH bleiben musste. Nun musste ich noch genäht werden, da ich ziemlich aufgerissen war. Es war laut meiner Handyfotos nun 10.30h morgens am 12.09.23
Die Blutergebnisse zeigten, dass ich mindestens 2 Bluttransfusionen brauchte. Das Blut wurde bestellt und kam am Nachmittag an. Bis dahin lag ich flach, da ich jedes Mal fast ohnmächtig wurde. Ich konnte nicht mal aufs Klo gehen. Es war ekelhaft so geschwächt zu sein.
Letztendich verbrachte ich 2 Tage im Kh mit meinen Mädels, da ich an Tag 2 nochmal 2 Bluttransfusionen brauchte. Das BROS Krankenhaus war wirklich gut. Vom Service und der Professionalität wie bei Emilias Geburt in Berlin. Sie hatte ihr eigenes Bett in meinem Zimmer, ich konnte ihr Essen mitbestellen. Ich war vor allem auch froh über die Unterstützung mit Nala, weil ich sie zu Beginn nicht mal selbst wickeln konnte. Es war super. Aber 2 Tage haben dann auch gereicht und wir waren dann froh endlich daheim zu sein.
Meine Nachbarin hatte uns alles Mögliche ins KH gebracht, meine Vermieterin hat die gesamte Wohnung putzen und alles durchwaschen lassen. Wir hatten quasi ein Dorf als Unterstützung, einfach Wahnsinn.
Und meine liebe Instacommunity hat fleißig für uns gespendet, da tausende von Euro an Krankenhauskosten für mich oben drauf gekommen sind. Dafür möchte ich mich auch hier nochmal von ganzem Herzen bedanken!!! Das hat mich unfassbar berührt!!!
Und ich wäre nicht ich, wenn ich dieses Erlebnis nicht reflektieren und überlegen würde, was ich daraus gelernt habe.
Meine Learnings:
-Ich hatte große Vorurteile bezüglich Krankenhäusern in Bali. Meine Erfahrung nach der Geburt war besonders positiv. Allerdings habe ich letzte Woche auch mal recherchiert über Geburt in balinesischen Krankenhäusern und öfter gelesen, dass zu einem Kaiserschnitt tendiert wird oder man nicht alleine im Vorwehenzimmer ist. Also hatte es einen Grund, warum mein Bauch nein gesagt hatte.
-Ich hätte einen Notfallplan/Notfalltasche haben sollen.
-Ich habe gelernt, (finanzielle) Hilfe anzunehmen.
-Ich musste meine körperliche Komfortzone ganz krass verlassen.
-Ich hätte mehr in Allowance der ganzen Situation sein können.
-Ich darf noch mehr auf meine Intuition vertrauen.
-Ich habe meine eigene Stärke und meinen Lebenswillen kennengelernt.
-Ich wurde nicht dafür verurteilt, was passiert ist.
Meine offenen Fragen:
Ich verstehe immer noch nicht, warum meine Hebamme nicht mehr Nachdruck zeigte als sie nachts bei mir ankam, sondern 3 Stunden auf Antwort der Vermieterin wartete und das ganze dann in diesem Umfang eskalieren musste. Sie wird ihre Gründe gehabt haben. Wahrscheinlich hatte sie einfach gehofft, dass sie mir meinen Wunsch der Hausgeburt noch erfüllen kann. Jeder gibt sein bestes, auch wenn ich das einfach noch nicht verstehen kann.
Natürlich frage ich mich manchmal, warum es so kommen musste. Wo schon Anzeichen waren, dass es etwas nicht ganz okay ist. Ich sehe diese Zeichen nun, aber es würde den Rahmen sprengen, darüber jetzt auch noch zu schreiben.
Ich bereue die Wahl der Hausgeburt nicht und ich finde es auch richtig, das alles offen zu erzählen. Hausgeburt ist nicht per se gefährlich! Aber seit meinem Erlebnis weiß ich, dass es gut ist, Unterstützung dabei zu haben (die notfalls auch für einen sprechen kann) oder einen Notfallplan zu kennen. Vor allem im Ausland. Schade ist, dass ich die Nabelschnur nicht auspulsieren lassen konnte und einen Teil der Plazenta auch nicht ins Meer geben kann, wie ich es mir vorgestellt hatte. Denn durch den Notfall kam alles anders.
Wir sind alle gesund. Meine Wunden innen und auf Seelenebene werden heilen. Und meine Tochter Nala (=Geschenk auf suaheli) wird mich durch ihre Existenz immer daran erinnern. Und eines Tages werde ich ihr diese Geschichte erzählen und sie darf sich denken: „Wow, ich habe eine starke Mama, die alles gegeben hat und sich entschied zu bleiben!“
Nächste Woche wird meine Wohnung von einem hinduistischen Priester auf meine Kosten gesegnet, da durch mein Blut das Haus nun nicht mehr gesegnet und unrein ist. Thats Bali Life!
Im nächsten Beitrag berichte ich darüber, welche bürokratischen Schritte für Nalas Pass notwendig waren.
Danke fürs respektvolle Lesen und nicht werten. 😉
One Comment
Colline
vielen Dank für das Teilen deiner Geschichte und deinen Erlebnissen. es hat mich sehr berührt.
du bist so eine unglaublich mutige Frau und eine unfassbar starke Mama.